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22.10.25
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Zulieferunternehmen zeigen Resilienz im globalen Wettbewerb

3 Mitarbeitende arbeiten an einem digitalen Entwurf eines Autos an einem Augmented Reality Tisch
© GettyImages (gorodenkoff)

Wie kann Deutschland die gleichzeitigen Umbrüche – von Digitalisierung und Dekarbonisierung über den demografischen Wandel bis hin zur Deglobalisierung – meistern? Und welche Branchen zeigen dabei besondere Widerstandskraft? Eine aktuelle Hays-Befragung geht diesen Fragen branchenübergreifend nach. Besonders überraschend: Ausgerechnet die krisengeplagte Zulieferindustrie beweist derzeit bemerkenswerte strategische Stärke. Warum das so ist, erläutert Simon Schnurrer, Leiter des weltweiten Automobilgeschäfts bei der Strategieberatung Oliver Wyman, im Gespräch.

Wie zeigt sich die Resilienz der deutschen Zulieferindustrie innerhalb ihres Transformationsprozesses?

Simon Schnurrer: Die deutsche Zulieferindustrie ist im globalen Vergleich mittelständischer strukturiert. Trotz der kleineren Größe sind diese Unternehmen jedoch häufig schon sehr international aufgestellt, zum Beispiel mit Werken in Nordamerika und Asien. Sie haben aber auch strukturelle Nachteile in der Skalierung, beispielsweise bei den Faktorkosten oder der Marktmacht. Auch mit der zunehmenden Bürokratie tun sich kleinere Firmen schwer. Die Transformation ist eine Vierfache: Sie vollzieht sich geografisch (Regionalisierung), technologisch (Software, Elektrifizierung, künstliche Intelligenz), im Geschäftsmodell (Marge vor Umsatz, Ausbleiben von „automatischem“ Stückzahlwachstum der PKW-Märkte) und in der Veränderung des Skillsets (zum Beispielkaufmännische Kompetenz, KI-Kompetenz).  Aber allein die Tatsache, dass viele dieser Betriebe trotz der internationalen, geopolitischen Risiken weiterhin existieren, zeugt von ihrer Resilienz und ihrem guten Krisenmanagement.

 

Drei Beispiele, die zeigen, wie positiv Zulieferer ihre strukturellen Veränderungen bewältigen:

  • Viele der Zulieferer haben es geschafft, erfolgreiche Geschäftsbeziehungen nicht nur zu  heimischen OEMs (Original Equipment Manufacturers = Automobilherstellern ), sondern auch zu neuen Kunden außerhalb Europas aufzubauen. Das bedeutet auch, vor Ort geeignetes Personal zu finden, einen Footprint, also mit lokaler Produktion, aufzubauen und ein globales Netzwerk zu steuern. Das funktioniert in vielen Fällen sehr gut.

  • Angesichts schwankender Neufahrzeug-Märkte sind viele Zulieferer im Bereich Aftersales (Reparatur- oder Wartungsservices) aktiv, um sich ein ertragreiches Standbein auf- bzw. auszubauen. Ein erfolgreicher Verkauf von Dienstleistungen erfordert jedoch auch spezifische Kompetenzen und Personal.

  • Darüber hinaus sind einige Zulieferer auch außerhalb ihrer Stammbranche erfolgreich, zum Beispiel im Industriegeschäft, in der Medizintechnik, im Bereich Rüstung oder auch in der Gebäudetechnik. Hier wird nach anderen „Spielregeln“ gespielt, aber auch hier sind Zulieferer häufig sehr anpassungs- und leistungsfähig.

 

Was bedeutet es konkret für die Zulieferer, die Transformation als Chance zu begreifen und bestehende Prozesse und Routinen so zu verändern, dass sie künftig robuster und flexibler gegenüber Krisen sind? Welche kritischen Kernfragen gilt es zu klären?

Simon Schnurrer: Konkret müssen Zulieferer häufig ihre „Komfortzone“ verlassen, um auch außerhalb ihres angestammten Geschäfts erfolgreich zu sein.  Einen Auftrag aus China gewinnt man nicht mit den gleichen Vorgehensweisen wie bei den traditionellen westlichen Kunden. Man muss sehr viel vor Ort beim Kunden sein, flexibler mit Arbeitsteilung und Konditionen umgehen können. Man muss in der Technik heute viel vernetzter und iterativer zusammenarbeiten – über Funktionen, Standorte und sogar Unternehmensgrenzen hinweg. Neue Erkenntnisse aus Entwicklung und Produktion müssen in Echtzeit geteilt und dauerhaft in die Organisation integriert werden.

Grundlegende Prozesse und „Spielregeln“ verändern sich. Künftig müssen ganze Fahrzeuge zum Beispiel häufig in weniger als drei Jahren fertig entwickelt werden, während traditionelle Unternehmen bis zu fünf Jahre brauchen. Gleichzeitig verkürzen sich Produktlebenszyklen im Markt, die Volatilität der Stückzahlen steigt, teilweise müssen die Anforderungen ganz anderer Branchen bewältigt und völlig fremde Partner und Technologien „nahtlos“ integriert werden. Hier müssen Zulieferer sehr flexibel agieren. Dabei stellen sich Fragen bis hin zur Governance und Eigenständigkeit der Geschäftseinheiten. Die kritische Kernfrage lautet also meistens, welche Kompetenzen, Prozesse und Methoden überhaupt auf die neue Welt übertragbar sind und welche nicht, und was daher neu erworben werden muss.
 

Workforce-Strategien: Welche neuen Kompetenzen müssen aufgebaut werden? Wie sollten sich möglicherweise bisherige Besetzungslogiken ändern?

Simon Schnurrer: Eine zentrale Herausforderung, die sich in der Praxis immer wieder zeigt, betrifft die Professionalität der kaufmännischen Prozesse – etwa im Controlling oder im Finanzmanagement. Viele Zulieferer sind nach wie vor stark technikgetrieben. Gleichzeitig offenbart sich in der Digitalisierung der Geschäftsprozesse – bis hin zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz – ein deutlicher Rückstand gegenüber internationalen Wettbewerbern, insbesondere auch chinesischen Automobilunternehmen. Hier besteht dringender Nachholbedarf. Anstatt auf teure, unternehmensspezifische Eigenentwicklungen zu setzen, hoffen viele Branchenkenner, dass sich künftig standardisierte und erschwingliche Lösungen durchsetzen. Denn nicht jedes mittelständische Unternehmen kann oder sollte sich eine ganze Riege hochspezialisierter Digitalexperten leisten müssen. Damit wird klar: Es reicht nicht mehr, technisch exzellent zu sein. Die Branche muss auch in kaufmännische Kompetenz und organisatorische Professionalität investieren. Bei der Besetzung neuer Schlüsselpositionen braucht es Offenheit – für Kandidatinnen und Kandidaten mit unterschiedlichen Qualifikationen, Hintergründen und internationalen Erfahrungen. Und nicht zuletzt: Auch der Umgang mit Diversität erfordert in vielen Unternehmen ein deutlich höheres Maß an Professionalität und gelebter Kultur.

 

Simon Schnurrer© Simon Schnurrer

Zur Person Simon Schnurrer

Simon Schnurrer leitet das weltweite Automobilgeschäft der Strategieberatung Oliver Wyman. Er hat 25 Jahre Beratungs- und Industrieerfahrung (Porsche AG, Ricardo plc) und berät Kunden aus dem Automobilhersteller- und Zulieferer-Bereich. Neben Organisations- und Performance-Transformationen gehören auch M&A, Wachstumsstrategien und Restrukturierungen zu seinem Aufgabenbereich.
 

 

 

Balance Resilienz-Effizienz: Braucht das Management eine andere Haltung, um beides zu vereinen?

Simon Schnurrer: Lange dominierten Technikfokus und Kosteneffizienz das Denken. Heute geht es stärker um die Absicherung der Wertschöpfungskette, verlässliche Partnerschaften und die Anpassungsfähigkeit der Geschäftsmodelle – nicht zuletzt durch Digitalisierung als Antwort auf den Fachkräftemangel. Bremsend wirkt hier oft ein veränderungsscheues Middle Management,  veraltete Strukturen oder eine zu geringe Kapitaldecke. Positiv ist: Viele Unternehmen zeigen inzwischen mehr Offenheit für Kooperationen mit strategischen Partnern, um so zu einer „leistbaren Resilienz“ zu kommen. Das erfordert neue Flexibilität, aber ohne die eigene Zielklarheit zu verlieren.
 

Ihre drei wichtigsten Tipps, wie sich Unternehmen auf geopolitische Unsicherheiten und wirtschaftliche Turbulenzen in ihren Strategien am besten einstellen können?

Simon Schnurrer: Ganz zentral: Nie die eigene Innovations- und Differenzierungskraft vernachlässigen. Einen globalen reinen Kosten- und Kapitalwettbewerb werden auch zukünftig nur wenige deutsche Firmen gewinnen können. Jederzeit gut verstehen, wo das Unternehmen Geld verdient und wo nicht. Mut zum Schrumpfen, wo dauerhaft Verluste entstehen. Veränderungen dürfen nicht als Begründung für Tatenlosigkeit herhalten. Das Gegenteil ist richtig, aber harte Arbeit lohnt sich glücklicherweise auch weiterhin.

 

Weiterführende Links:

 

Wie andere Unternehmen der eigenen Transformation begegnen und wie gut sie sich auf den Wandel vorbereitet fühlen, zeigt das Hays-Whitepaper: „Zeiten ändern sich – Branchen auch“.

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Silvia Hänig
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