„Einfach nur Abwarten ist keine Strategie“

Deutschland steht in Sachen Innovationsfähigkeit an einem kritischen Punkt: Fachkräftemangel, Bürokratie und globale Umbrüche bremsen. Doch das Potenzial ist da, wie Prof. Dr. Andreas Zaby, Innovationsmanager der Bundesagentur für Sprunginnovation, im Interview erklärt.
Die deutsche Wirtschaft steht 2025 vor einer entscheidenden Weichenstellung: Fachkräftemangel, Bürokratie, technologische Umbrüche und geopolitische Krisen erfordern entschlossenes Handeln von Politik und Unternehmen. Gleichzeitig zeigt sich: Deutschland ist in puncto Innovationsfähigkeit nach wie vor anschlussfähig, doch die Lücke zwischen exzellenter Forschung und marktfähiger Umsetzung muss geschlossen werden. Das Sondervermögen der Bundesregierung kann hier zum entscheidenden Impuls werden, wenn Mittel schnell, unbürokratisch und zielgerichtet fließen.
Wie sich Innovation beschleunigen lässt und welche Rolle mutige Förderstrukturen dabei spielen, darüber haben wir mit Prof. Dr. Andreas Zaby, Innovationsmanager der Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND), im Rahmen des aktuellen Hays-White-Papers „Sondervermögen: So bringt es die Wirtschaft in Schwung“ gesprochen. Der Report ist der zweite Teil der White-Paper-Reihe „Zeiten ändern sich. Branchen auch“.
Ist Deutschland in puncto Innovationsfähigkeit global gesehen noch anschlussfähig?
Prof. Dr. Andreas Zaby: Deutschland ist hier absolut anschlussfähig. Tatsächlich gehört die Forschung in Deutschland in zahlreichen Technologiefeldern wie Deeptech, ClimateTech oder Artificial Intelligence noch immer zur weltweiten Spitzenklasse, und bei der Finanzierung der Forschung sind wir im internationalen Vergleich gut ausgestattet. Wir müssen aber zweifellos besser werden, wenn es um die Umsetzung der Forschungsergebnisse in innovative Produkte und ganz neue Branchen geht. Hier besteht ein „Valley of Death“, in dem potenzielle Innovationen entweder gar nicht weiterverfolgt oder im Ausland (USA, China) kommerzialisiert werden. Genau da setzt die SPRIND an. Wir helfen den Innovatoren, diese schwierige Phase unternehmerisch zu nutzen, um aus ihren Ideen kapitalmarktfähige Unternehmen zu machen.
KI-Kompetenz spielt im internationalen Wettbewerb eine wichtige Rolle. Aber die Gehälter sind hoch und nicht wenige Expertinnen und Experten drohen, ins Ausland auszuwandern. Wie kann es uns gelingen, die KI-Kompetenz im Land zu stärken bzw. aufzubauen? Was muss jetzt passieren? Was können KMUs tun?
Prof. Dr. Andreas Zaby: Grundsätzlich spricht nichts dagegen, wenn KI-Fachkräfte auch im Ausland Erfahrungen sammeln. Für den Standort Deutschland gilt, dass wir den heimischen und zugereisten KI-Spezialistinnen und -Spezialisten attraktive Rahmenbedingungen anbieten müssen. Das fängt bei wettbewerbsfähigen Gehältern an und muss sich – gerade im Umfeld von Hightech-Unternehmen – bis hin zu Erfolgsbeteiligungen, wie zum Beispiel virtuellen Aktienoptionsprogrammen, erstrecken. Deutschland ist auch durch relativ niedrige Lebenshaltungskosten und kostenlose Bildungsangebote attraktiv. Und dennoch: Es gibt viel zu tun. Die Verfügbarkeit von Scale-up-Kapital muss deutlich ausgebaut werden. Vor allem die öffentliche Hand sollte sich weiter der Zusammenarbeit mit KI-Start-ups öffnen. US-Unternehmen tun dies schon längst. Ferner müssen wir Bürokratie abbauen und die Verfügbarkeit und Nutzung von Daten ermöglichen.
Wie trägt SPRIND dazu bei, dass Technologie- und Fachwissen schneller aus der Forschung in die Wirtschaft fließen kann?
Prof. Dr. Andreas Zaby: Unser Ziel ist es, von Deutschland aus neue Sprunginnovationen zu schaffen. Das bedeutet, dass wir Produkte, Dienstleistungen und Systeme, die unser Leben spürbar und nachhaltig verbessern, entwickeln müssen. Dazu verbinden wir Neudenker aus Wissenschaft und Wirtschaft, Menschen mit herausragenden Ideen, besonderer Fachexpertise und Leidenschaft. Wir schaffen Räume, in denen man Risiken eingehen und radikal anders denken kann. Wir finanzieren, helfen dabei, Teams zusammenzustellen und verknüpfen mit den richtigen Netzwerken aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Dabei unterstützen wir ausschließlich Innovatorinnen und Innovatoren, die humanistischen Grundwerten folgen bzw. ihre Geschäftsmodelle darauf gründen.
© Prof. Dr. Andreas Zaby / SPRIND
Zur Person Prof. Dr. Andreas Zaby
Prof. Dr. Andreas Zaby ist Innovationsmanager bei der Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND) in Leipzig. Zuvor war er Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin, Strategieberater bei Bain & Company sowie Mitgründer und Finanzvorstand eines biopharmazeutischen Unternehmens. Seine Lehrschwerpunkte liegen im Innovations- und Technologiemanagement sowie in Entrepreneurial Finance. Prof. Zaby studierte Betriebswirtschaft in Bayreuth und San Diego und promovierte an der Universität Jena.
Die Gelder des Sondervermögens sind freigegeben. Wie stellen Sie sicher, dass die finanziellen Mittel tatsächlich bei den Hoffnungsträgern für Innovationen (z.B. KMUs und Start-ups) ankommen und nicht durch Antragsprozesse gebremst werden?
Prof. Dr. Andreas Zaby: SPRIND gehört zu den wohl schnellsten Innovationsagenturen im internationalen Vergleich. Wir setzen derzeit bei unseren Challenges eine „Time-to-Money“ von 14 Tagen um, d.h. vom Ende der Einreichungsperiode bis zur Auszahlungszusage vergehen nur zwei Wochen. Da ist für uns ein wichtiger Performance-Indikator. Sprunginnovationen benötigen gezielte Unterstützung. Nach Analyse und Begutachtung stehen bei erkennbarem Potenzial verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Umsetzung bereit. Für die vertiefte Prüfung einzelner Aspekte können Validierungsaufträge vergeben werden.
Stichwort Bürokratieabbau: Wie können jetzt öffentliche Förderstrukturen agiler gestaltet werden?
Prof. Dr. Andreas Zaby: Wir müssen auf nationaler, aber auch auf EU-Ebene die Strukturen der Innovationsförderung deutlich entschlacken und beschleunigen. Es ist keine gute Entwicklung, dass immer mehr Start-ups und KMUs eigens Beratungsunternehmen beschäftigen müssen, um die Förderlandschaft zu durchschauen und Anträge zu formulieren. Es braucht ein Mehr an Vertrauen in dem Sinn, dass wir nicht hochdetaillierte Pläne fordern und dann die antragsgemäße Mittelverwendung prüfen. Auf die Ergebnisse muss es ankommen! Mit alternativen Formaten wie Innovationswettbewerben haben wir gute Erfahrungen gemacht.
Das Hays-White-Paper zeigt: Trotz vieler Herausforderungen überwiegt der Optimismus: 68 Prozent der Führungskräfte erwarten spürbare Effekte des Sondervermögens bis Mitte 2027, 37 Prozent sogar schon bis Mitte 2026. Besonders zuversichtlich zeigen sich Mitglieder der Geschäftsführungen (81 %). Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Prof. Dr. Andreas Zaby: Pessimismus ist reine Zeitverschwendung. Wir sind bei SPRIND optimistisch, dass die neue Hightech-Agenda der Bundesregierung Innovationsimpulse setzen wird. Die Wirtschaft ist aber gefordert, ihren Beitrag zu leisten, denn die Umsetzung von Innovation muss weitgehend in der Wirtschaft selbst erfolgen. Der Spatenstich zum IPAI (Innovationspark künstliche Intelligenz Heilbronn) ist dabei ein ermutigendes Signal.
Welche Empfehlungen geben Sie Unternehmen, die bisher ihre Investitionen gedrosselt haben?
Prof. Dr. Andreas Zaby: Wer nicht immer wieder Innovationen hervorbringt, wird im Wettbewerb nicht bestehen können. Jetzt ist für alle Unternehmen die beste Zeit, um in die eigene Innovationskraft zu investieren. Einfach nur abwarten ist keine Strategie.
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