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29.11.23
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Arbeitswelt & Karriere

„Unternehmen kommen am Thema Diversität nicht mehr vorbei“

Nina Straßner
© Sven Serkis

Nina Straßner ist Vorstandsvorsitzende der Arbeitgeberinitiative Charta der Vielfalt und Global Head of People Initiatives bei SAP. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht, Kolumnistin und Autorin sagt, dass Diversität ein ethisch-moralisch verpflichtender Grundsatzwert sei, nach dem wir vieles ausrichten müssten.

Frau Straßner, was ist Diversity?

Diversität ist ein Fakt, wir sind alle unterschiedlich. Welchem Geschlecht bin oder fühle ich mich zugehörig, welches Geschlecht wird mir zugeschrieben? Herkunft, Alter, Erziehung, Umfeld, körperliche und geistige Fähigkeiten – alles, was uns zu den Menschen macht, die wir sind – auch am Arbeitsplatz – gehören dazu. Wir geben unsere Persönlichkeit nicht am Betriebstor oder am Laptop ab, sondern nehmen sie mit an den Arbeitsplatz. Aus diesem Grund ist Vielfalt da, sie ist nur nicht an allen Orten, an denen wir uns im Leben aufhalten, gleichermaßen repräsentiert.

Was können Firmen unternehmen, um sich diverser aufzustellen?

Große Frage, einfache Antwort: Sie können mehr Diversität zu einem ihrer Ziele machen. Es gibt keine Schablone, die für jedes Unternehmen passt. Daher ist das Wichtigste, zu sagen: Diversität ist eine unserer Prioritäten und wir öffnen uns für die Möglichkeit der Reibung und Diskussion sowie für die Mühe, herauszufinden, wo es hakt.

Was wäre denn ein erster Schritt?

Unabhängig von ihrer Größe können sich Unternehmen die Datenlagen anschauen. Je kleiner, umso einfacher geht das. Die Geschlechter- und Altersverteilung in den einzelnen Bereichen und in den Hierarchiestufen kann leicht erkannt werden. Es gibt aber auch unsichtbare Diversitätskriterien. Dazu zählen sexuelle Orientierung, Religion oder auch soziale Herkunft. Hier ist der wichtigste erste Schritt, die Räume für ehrliche Gespräche zu schaffen und die Mitarbeitenden nach ihren Bedürfnissen zu fragen: Was braucht ihr, um gut arbeiten zu können? Das hat viel mit Vertrauen zu tun und mit der Einstellung, dass Mitarbeitende selber wissen, wie sie am besten arbeiten können. Wenn gefragt wird, was würdet ihr morgen ändern, wenn ihr es könntet, dann ist man schon mittendrin im Diversitätsmanagement.

Warum entdecken immer mehr Unternehmen Diversity?

Die allermeisten Unternehmen haben begriffen, dass wir einen Innovationsmotor brauchen und dass unsere Gesellschaft Angriffe auf die Demokratie erlebt. Der Fachkräftemangel und die geopolitische Lage kommen noch dazu. Unternehmen kommen nicht mehr an diesem Thema vorbei, sie definieren es nur unterschiedlich.

Ist Diversität tatsächlich eher ein Business Case als ein Schönwetterthema?

Diversität ist natürlich ein Business Case, gerade wenn es um Fachkräftemangel oder Innovationsfähigkeit geht. Homogene Teams sind sich schnell einig, übersehen aber schlicht eine Menge und sind sich dann wieder einig, natürlich nicht viel zu übersehen. Heterogene Gruppen machen das sichtbar. Zudem ist unsere Gesellschaft eigentlich schon einen Schritt weiter und sagt: Es ist ein ethisch-moralisch verpflichtender Grundsatzwert, an dem wir vieles ausrichten müssen. Diversität braucht gar keine wirtschaftliche Betrachtungsweise, um richtig und notwendig zu sein.

Verschiedenfarbige und unterschiedlich hohe Vierecke zur Veranschaulichung von Diversität © HomeArt

Was verändert sich im Unternehmen durch mehr Diversität?

Das soziale Miteinander wird sich ändern, aber nicht unbedingt sofort einfacher werden. Das darf auch ruhig so sein. Ein Beispiel aus dem normalen Leben: Wer eine Hochzeit plant, überlegt, wer bei der Feier, bei der zwei Familien mit unterschiedlichen Vorstellungen aufeinandertreffen, nebeneinandersitzt. Wir lassen sie nicht einfach so aufeinander los, damit die Feier und auch die Zukunft dieser beiden Familien miteinander gelingen kann. Das ist Diversitätsmanagement und lässt sich gut auf Unternehmen übertragen. Wer glaubt, keine Arbeit, Zeit oder Geld in etwas stecken zu müssen, weil der Erfolg schon von allein kommt, sollte morgens einfach im Bett bleiben. Diversität macht eben genauso Arbeit wie alles andere auch, was Menschen am Arbeitsplatz betrifft.

Was gilt es bei der Führung diverser Teams zu beachten? Wie hoch ist der Koordinationsaufwand?

Der Aufwand ist nicht gering, aber lohnt sich. Denn nur Mitarbeitende, die sich wahrgenommen und akzeptiert fühlen, können ihre Leistung auch voll abrufen. Jede Führungskraft sollte daher wissen, was ihre Mitarbeitenden antreibt, was sie gut und vor allem, was sie gerne machen. Schon die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, ist der erste Schritt zum Diversitätsmanagement. Der zweite Schritt wäre, sich bewusst mit seinen Vorurteilen zu beschäftigen. Um auf das Hochzeitsbeispiel zurückzukommen: Dass der Tisch mit den älteren Gästen nicht der langweilige oder der mit den Studienfreundinnen und -freunden der lauteste ist. Wir stecken Menschen in Schubladen, das ist weitgehend normal – aber wir müssen sie wieder herauslassen. Umparken im Kopf quasi.

Was sind Hindernisse auf dem Weg zu mehr Diversity in der Arbeitswelt?

Sie liegen in der konkreten Umsetzung. Wie mutig sind wir, bestimmte Themen anzuschneiden und uns gegebenenfalls auch Trouble ins Büro zu holen? Und sie haben mit dem Eingeständnis zu tun, dass wir Vorurteile haben. Doch so wie man die eigenen Produkte oder Dienstleistungen optimieren will, und dabei auch die ein oder andere Fehlinvestition macht, verhält es sich auch mit der Pflege der Unternehmenskultur. Auch da muss man sagen: Hoppla, wir haben uns in diesem Punkt verrannt. Entschuldigung. Ab jetzt machen wir es anders, bitte macht mit.

Was haben Fachkräftemangel und Diversity miteinander zu tun?

Wir können nicht auf der einen Seite den Fachkräftemangel beklagen und auf der anderen Vielfalt am Arbeitsplatz stiefmütterlich behandeln. Wir werden nur dann Menschen für ein Berufsbild begeistern können, wenn wir ihnen das Gefühl geben, dass sie bei uns einen Platz haben. Wenn wir Menschen bestimmter Kulturen, eines bestimmten Alters, einer bestimmten sozialen Herkunft oder mit einer Behinderung nicht ansprechen, werden wir ganz sicher genau die Fachkräfte verlieren oder gar nicht erst bekommen, die unser Unternehmen gebraucht hätte. Menschen leben in Gemeinschaften, sie empfehlen, sie raten ab, sie unterstützen, loben oder wenden sich ab. Je offener eine Kultur ist, umso höher ist auch der Schutz des Individuums, wenn wir selbst mal aus der Reihe tanzen und eine Extrawurst brauchen, weil uns das Leben harte Aufgaben stellt. Ein Mischwald ist resilienter als ein Fichtenhain, die Natur weist uns hier einen guten Weg.

 

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