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05.02.25
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Arbeitswelt & Karriere

Einbringen oder Ausklinken: Wie Unternehmenskultur die Unternehmensleistung beeinflusst

Zwei Männer begrüßen sich
©GettyImages (PeopleImages)

Von der Muss- zur Willkultur: Warum es sich gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten lohnt, in eine positive Unternehmenskultur zu investieren, die auf Vertrauen, Sinnhaftigkeit und gegenseitige Unterstützung baut. 

Die Zeiten, in denen standardisierte Abläufe und disziplinierte Ausführung ausreichten, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, sind vorbei. Die Märkte sind dynamischer denn je, und der Erfolg eines Unternehmens hängt zunehmend von dessen Fähigkeit ab, sich anzupassen, neue Ideen zu entwickeln und Chancen frühzeitig zu erkennen. Dafür braucht es Mitarbeitende, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, kreativ zu denken und sich mit vollem Engagement einzubringen. Doch genau hier liegt das Problem: Viele Unternehmen arbeiten in starren Strukturen, die wenig Raum für Eigeninitiative lassen. Statt auf Engagement und Innovationskraft zu setzen, dominieren Kontrolle und Vorgaben. Diese „Musskultur“ fördert eine Haltung des „Dienstes nach Vorschrift“, bei der Mitarbeitende nur das Nötigste tun, um ihre Aufgaben zu erfüllen – ohne Überzeugung, ohne Leidenschaft und ohne das große Ganze im Blick. 

Ein Beispiel aus der Praxis: In einem stark hierarchisch geprägten Unternehmen sorgte eine neue Produktinitiative für Spannungen im Team. Die Mitarbeitenden wurden gebeten, innovative Ideen für eine Marktexpansion zu entwickeln. Doch anstatt sich aktiv einzubringen, zogen sie sich zurück. Die Angst vor Fehlern und die mangelnde Unterstützung durch das Management lähmten die Kreativität. Ideen wurden nicht geteilt, Diskussionen blieben oberflächlich und der Fortschritt stockte. Schließlich wurde das Projekt eingestellt – nicht, weil es technisch unmöglich war, sondern weil das Team in einem Klima des Misstrauens und der Kontrolle arbeitete.

Ein solches Umfeld wirkt sich auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen aus. In Musskulturen entstehen oft isolierte Silos, in denen Mitarbeitende ausschließlich ihre eigenen Aufgaben verfolgen und Wissen nicht aktiv teilen. Die Folge: ineffiziente Prozesse und wenig Innovation, denn der Fokus liegt auf Fehlervermeidung statt darauf, Neues auszuprobieren.

Team macht KaffeepauseDie Arbeitswelt verändert sich rasant und Unternehmen müssen sich anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. © GettyImages (jacoblund)

Willkultur als Treiber für Innovation und Leistung

Dienst nach Vorschrift ist in der heutigen Geschäftswelt ein Risikofaktor. Der jährliche
Gallup Engagement Index belegt dies immer wieder eindrucksvoll mit seinen Zahlen: 19  Prozent aller Angestellten sind aktiv desinteressiert an ihren Jobs. Das kostet die deutsche Wirtschaft zwischen 132,6 und 167,2 Mrd. EUR  jedes Jahr. Es ist nicht nur die Angst vor Veränderung, die Unternehmen lähmt, sondern auch eine Kultur, die Eigeninitiative bremst und Mitarbeitende auf die Rolle von Befehlsempfängern reduziert. Solche Arbeitsumgebungen entstehen, wenn Kontrolle und Misstrauen dominieren, statt Freiräume zu schaffen, in denen sich Talente entfalten können. Dabei liegt das Problem nicht nur in den Strukturen, sondern in den Denkweisen und Prioritäten, die in vielen Organisationen vorherrschen.  Um dieser Dynamik zu entkommen, ist es notwendig, das „Warum“ der Arbeit neu zu definieren. Menschen sind nicht motiviert, wenn sie nur Zahlen im Blick behalten oder Prozesse abarbeiten sollen, ohne Sinn dahinter. Was Mitarbeitende wirklich antreibt, ist das Gefühl, etwas zu schaffen, das Bedeutung hat. Fehlt dieses Gefühl, entsteht eine Spirale aus Gleichgültigkeit und Rückzug, die sowohl Produktivität als auch Innovationskraft untergräbt.

Die Willkultur bietet eine Alternative zu dieser Stagnation. Sie basiert darauf, dass Menschen aus innerer Überzeugung und intrinsischer Motivation handeln – nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Diese Denkweise erfordert jedoch mehr als flache Hierarchien oder agile Methoden. Es braucht eine bewusste Gestaltung der Arbeitsumgebung, die auf Vertrauen, Sinnhaftigkeit und gegenseitige Unterstützung setzt, die Herausforderungen als Chance, nicht als Bedrohung begreift und in Fehler keine Schwäche, sondern eine wertvolle Lernmöglichkeit sieht. 
Eine Willkultur verlangt von Führungskräften, anders zu denken und zu handeln. Sie müssen nicht nur motivieren, sondern sichere Räume schaffen, in denen Mitarbeitende eigenverantwortlich agieren können. Statt Kontrolle auszuüben, geht es darum, Sinn zu stiften und Menschen miteinander zu verbinden. Die Aufgabe der Führung ist es, eine Vision zu vermitteln, die nicht nur den unternehmerischen Erfolg im Blick hat, sondern auch die Entwicklung der Menschen, die ihn ermöglichen.

Der Business Case: Der Effekt einer Willkultur in Zahlen

Die Vorteile einer Willkultur lassen sich nicht nur emotional oder moralisch begründen, sondern auch klar quantifizieren. Unternehmen, die aktiv in eine positive Unternehmenskultur investieren, verzeichnen messbare Verbesserungen in Schlüsselbereichen wie Mitarbeitendenbindung, Innovationskraft und Produktivität. Diese Vorteile gehen über kurzfristige Gewinne hinaus und schaffen eine Grundlage für nachhaltiges Wachstum und Erfolg.

Ein anschauliches Beispiel ist eine Fertigungsanlage in China, die mit stagnierender Produktivität und hoher Fehlerquote kämpfte. Das Management entschied sich gegen traditionelle, hierarchische Kontrollmechanismen und setzte stattdessen auf Mitbestimmung und Eigenverantwortung. Mitarbeitende wurden ermutigt, ihre eigenen Arbeitsabläufe zu hinterfragen und Verbesserungen vorzuschlagen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Die Produktivität stieg um über 30 Prozent, die Fehlerquote sank drastisch, und die Mitarbeitenden berichteten von einer deutlich gestiegenen Arbeitszufriedenheit.

Auch in der Technologiebranche zeigen sich die Vorteile einer Willkultur. Ein führendes Softwareunternehmen führte sogenannte „Innovationssprints“ ein, bei denen Mitarbeitende Vorschläge für neue Produkte einbringen konnten. Anders als in traditionellen Strukturen, in denen Hierarchien oft als Innovationsbremse wirken, wurden die Ideen demokratisch bewertet. Die besten Vorschläge erhielten sofort Ressourcen für ihre Umsetzung. Innerhalb eines Jahres brachte das Unternehmen zwei neue Produkte erfolgreich auf den Markt, die nicht nur die Umsatzbasis verbreiterten, sondern auch die interne Motivation steigerten.

Team arbeitet zusammenMitarbeitende, die sich aktiv einbringen, tragen maßgeblich zum Erfolg und zur Innovationskraft eines Unternehmens bei. © Shutterstock (Ground Picture)

Eigenverantwortung fördert Willkultur und Innovationsstärke

Diese Erfolge zeigen, dass die vermeintlich „weichen“ Aspekte der Unternehmenskultur einen messbaren Einfluss auf die harten Zahlen haben. Doch was macht eine Willkultur so effektiv? Eine Kernkomponente ist die Förderung von Autonomie: Wenn Menschen die Freiheit haben, ihre Arbeit selbst zu gestalten, steigt die Identifikation mit den Aufgaben. Diese Freiheit führt zu einer gesteigerten Innovationsbereitschaft, wie z.B. die in diesem Kontext wohlbekannte Studie von Kienbaum und Stepstone zeigt. Die Forschungen von Deci und Ryan im Bereich Motivationspsychologie belegen, dass Mitarbeitende, die autonom handeln können, nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch eher bereit sind, über die Standardanforderungen hinauszugehen. 

Ein weiteres Beispiel verdeutlicht den Einfluss sozialer Eingebundenheit, eine weitere Säule der Willkultur. Ein Logistikunternehmen in den USA setzte auf den Aufbau engerer zwischenmenschlicher Beziehungen innerhalb der Belegschaft. Teambuilding-Maßnahmen und eine offene Feedbackkultur führten dazu, dass Mitarbeitende nicht nur ihre Leistung steigerten, sondern auch länger im Unternehmen blieben. Die Fluktuation sank um 25 Prozent, die Kosten für die Einarbeitung neuer Mitarbeitender wurden erheblich reduziert.

Fehlerfreundlichkeit – oft ein Tabu in traditionellen Musskulturen – spielt ebenfalls eine Schlüsselrolle. Eine deutsche Forschungsorganisation etablierte einen „Fehler-Tag“, an dem Teams ihre größten Fehler und die daraus gewonnenen Erkenntnisse präsentieren. Dies förderte nicht nur das Lernen, sondern schuf auch eine Atmosphäre des Vertrauens. Die Produktentwicklungszyklen verkürzten sich um durchschnittlich 20 Prozent, da sich die Mitarbeitenden zu experimentieren trauten.

Zahlen belegen die Rentabilität einer Willkultur auch auf Makroebene. Laut einer globalen Studie von Deloitte verzeichnen Unternehmen mit einer starken Unternehmenskultur eine durchschnittlich 22 Prozent höhere Mitarbeiterproduktivität und eine 30 Prozent geringere Fluktuation. Langfristig bedeutet dies nicht nur Einsparungen, sondern auch eine höhere Wettbewerbsfähigkeit, da engagierte Teams besser auf Marktveränderungen reagieren können.

Willkultur – das Fundament für eine innovative Unternehmenskultur 

Die Unternehmenskultur ist also ein zentraler Treiber für den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen in einer dynamischen und komplexen Geschäftswelt. Während eine starre Musskultur Eigeninitiative und Innovationskraft hemmt, eröffnet eine Willkultur neue Möglichkeiten: Mitarbeitende werden motiviert, Verantwortung zu übernehmen, kreativ zu denken und aktiv zum Unternehmenserfolg beizutragen. Der Schlüssel liegt in der bewussten Gestaltung von Arbeitsumgebungen, die auf Vertrauen, Autonomie und Sinnhaftigkeit setzen, sowie in einer Fehlerfreundlichkeit, die Lernen und Fortschritt fördert.

Dabei ist klar: Eine Willkultur ist keine kurzfristige Maßnahme, sondern eine Investition in die Zukunft. Die zunächst hohen Aufwände amortisieren sich durch messbare Vorteile bei Weitem – von geringeren Kosten durch Mitarbeitendenbindung bis hin zu einer gesteigerten Resilienz in Krisenzeiten. Unternehmen, die in ihre Kultur investieren, schaffen nicht nur ein motiviertes Team, sondern legen den Grundstein für nachhaltigen Erfolg – wirtschaftlich und menschlich.
 

Über die Autorin

Dr. Tina Ruseva

Dr. Tina Ruseva ist Expertin für Teamkultur und eines der bekanntesten Gesichter der deutschen Start-up-Szene. Als CEO von Mentessa, der Skill-basierten Plattform für Wissensaustausch und Mitarbeiterentwicklung, wurde sie u.a. von der NASDAQ in New York für ihr Engagement für Chancengleichheit geehrt. Dafür setzt sie sich auch als Expertin für die Europäische Kommission, Initiatorin des Big und Growing New Work Festivals sowie als Präsidentin des Bundesverbands New Work ein. Ihr Buch „Ich muss gar nichts!” taucht noch tiefer in die Thematik ein und ist bei Haufe zu erhalten.

 

 

Buch: Ich muss gar nichts

Wer tiefer in die Willkultur einsteigen will, findet reichlich Food for Thought in Tina Rusevas neuem Buch „Ich muss gar nichts! Weg von der Hierarchie zum sinnerfüllten und eigenverantwortlichen Arbeiten“

Herausgeber: Haufe; 1. Auflage 2024 (24. September 2024)
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 256 Seiten
ISBN-10: 3689510120
ISBN-13: 978-3689510121

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