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29.11.23
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Arbeitswelt & Karriere

„Wir haben unseren
Recruiting-Prozess radikal umgestellt“

Zarah Bruhn
© Hans-Joachim Rickel
Zarah Bruhn ist Beauftragte für Soziale Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Als Gründerin und CEO von socialbee bringt sie Geflüchtete und Unternehmen zusammen. Bruhn ist überzeugt, dass die Unternehmen, die frühzeitig in die Migration von Arbeitskräften investieren, zu den Gewinnern gehören werden.

Frau Bruhn, wie sind Unternehmen hierzulande in puncto Diversität und kultureller Vielfalt aufgestellt?

Im gewerblichen Bereich arbeiten bereits viele Menschen mit Migrationsgeschichte. Ob sie gut in die Gesellschaft integriert sind, ist eine andere Frage. Die Unternehmen stehen vor der großen Herausforderung des Fachkräftemangels. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie offener für Fachkräftezuwanderung und attraktiver in puncto Diversität werden. Talente fordern dies immer mehr ein und bewegen sich dahin, wo die Unternehmen bereits offen und divers sind. Wer den Fachkräften nichts anzubieten hat, partizipiert deutlich weniger an der Fachkräfteeinwanderung. Viele sagen zwar, dass die Menschen aus dem Ausland willkommen sind, haben jedoch die Assimilierung im Hinterkopf. Große Tech-Startups oder internationale Konzerne schaffen das deutlich besser. In Familienunternehmen sind es eher Assimilierungsprogramme: Sprich, du bist willkommen, wenn du dich an uns anpasst und so wirst wie wir. Es ist schade, denn dort ist sehr viel Herz, also eine gute Basis, um Menschen zu integrieren, aber die Bereitschaft sich selbst zu verändern, können wir nicht erkennen.

Welche Vorurteile verhindern, dass nicht mehr Geflüchtete eingestellt werden?

Die Vorurteile finden schon im Recruiting-Prozess statt. Es gibt den Similarity Bias, also die Tendenz Menschen auszuwählen, die uns ähnlich sind. Je nachdem, aus welchem Herkunftsland die Menschen kommen, stuft man sie in einer Kategorie ein. Ein Abschluss aus den USA wird anders gewertet als einer aus Syrien, bei dem Punkte abgezogen werden. Ungewissheit spielt eine große Rolle, denn die Unternehmen können die Qualifikation nicht einschätzen. Wie risikobereit ist das Personalmanagement? Gibt es Quereinsteigenden eine Chance? Den Wir-versuchen-es-mal-Bonus bekommen Nicht-Deutsche nicht, wenn das Profil nicht zu einhundert Prozent passt.

Händeschütteln nach einem erfolgreichen Recruiting © Getty images

Was halten Sie von einer Diversity-Quote?

Ich bin eine starke Befürworterin der Quote. socialbee hat sich das Ziel gesetzt, mehr Menschen mit Fluchthintergrund einzustellen und eine unumstößliche Diversity-Quote eingeführt. Dafür mussten wir unseren Recruiting-Prozess radikal umstellen. Wir haben die Quote bei jeder Einstellung, bei der wir niemand gefunden haben, diskutiert. Die Geschäftsleitung muss es aushalten, dass eine Stelle eine Zeit lang vakant bleibt, denn dann muss sich, wie in unserem Fall, die Personalerin einen anderen Weg überlegen, wie sie an Kandidatinnen und Kandidaten kommt. Sie muss sich in ein für sie unbequemes Umfeld begeben, wo sie den Outcome noch nicht kennt und wo sie neue Erfahrungen sammeln muss.

Was sind die Erfolgskriterien, anhand derer die Integration Geflüchteter oder von Menschen mit Migrationsgeschichte ins Unternehmen gelingt?

Die Geschäftsleitung muss dahinterstehen und es muss ein attraktives Programm für Menschen mit Migrationsgeschichte entwickelt werden, damit sie sich nicht alleingelassen fühlen. Dazu zählen Sprachkurse, Hilfe beim Umzug, Unterstützung bei den bürokratischen Hürden oder der Kita-Suche. Es geht um die Rahmenbedingungen: Kann auf Englisch gearbeitet werden? Wird die Andersartigkeit wertgeschätzt oder wird sie von oben herab betrachtet? Werden die Personen stärkenorientiert oder unter ihrem Qualifikationslevel eingesetzt? Oder werden sie entsprechend trainiert, um weiterzukommen? Wird an sie geglaubt? Es ist ähnlich wie beim Genderthema. Wenn permanent Frauenwitze gemacht werden, fühlen sich die Frauen nicht wohl. Genauso geht es Menschen mit Migrationsgeschichte, wenn sie ständig unterschätzt werden, auf ihre Herkunft angesprochen oder subtil mit Vorurteilen konfrontiert werden. Gut, wenn geschulte Mitarbeitende in solchen Fällen nicht nur angesprochen werden können, sondern auch proaktiv handeln.

Was sind wiederkehrende Herausforderungen?

Bei Flucht und Integration sind es behördliche Fragen und die Unsicherheit, wer bleiben darf und wer nicht. Eine weitere Herausforderung ist das Erwartungsmanagement: Muss die Person ab Tag eins funktionieren oder ist man bereit zu investieren, sowohl ins eigene Team als auch in den neuen Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin? Die Unternehmen, die es als Chance begreifen, Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte zu integrieren, öffnen sich für Diversity und profitieren von den anderen Sichtweisen und Perspektiven. Ich frage mich, warum noch so wenige diesen Wettbewerbsvorteil nutzen. Betrachtet man den demografischen Wandel, dann werden es die Unternehmen in Zukunft schwer haben, die sich nicht der Migration öffnen. Wer frühzeitig investiert, wird gewinnen!

 

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