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29.11.23
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Arbeitswelt & Karriere

„Der Fokus auf Stärken kann Vorurteile ins Wanken bringen“

Inclusion aller Menschen
© melitas
Sebastian Wächter, Mitbegründer von „Barrierefrei im Kopf“, Buchautor und gefragter Speaker, hilft Unternehmen Veränderungen ins Rollen zu bringen. Wächter, der seit seinem 18. Lebensjahr querschnittsgelähmt ist, plädiert dafür, den Perspektivwechsel zu wagen, sich in die Situation von anderen hineinzuversetzen und über Befindlichkeiten zu reden.

Herr Wächter, wer mehr Diversity ins Unternehmen bringen will, muss sich häufig mit Vorurteilen beschäftigen. Welche sind das, wenn es um die Beschäftigung von Mitarbeitenden mit Behinderung geht?

Die mit Abstand häufigsten Vorurteile sind, dass Mitarbeitende mit Behinderung ständig krank sind und dass man sich wegen ihres besonderen Kündigungsschutzes nur schwer von ihnen trennen kann. Darüber hinaus wird oft befürchtet, dass sie nicht so leistungsstark sind und mehr Pausen benötigen. Ein weiteres Vorurteil: Wir müssen umbauen, wenn wir einen Menschen, der auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen ist, einstellen. Ein weiteres Thema, das insbesondere auch mich betraf, als ich als Portfoliomanager bei einer Bank beschäftigt war: Was denken die Kundinnen und Kunden, wenn ein Rollstuhlfahrer ihr Vermögen verwaltet? Natürlich steht am Anfang auch die Frage im Raum, wie das Team reagiert. Sorgt es eher für Unruhe, wenn ein Mensch mit Behinderung dazukommt? Selbst die Frage, welcher zusätzliche organisatorische Aufwand bei einem Event, einem Betriebsausflug oder Sommerfest betrieben werden muss, steht im Raum.

Wo können Unternehmen ansetzen, um solche Denkmuster und verkrustete Strukturen aufzubrechen?

Es gibt zwei Wege, die gleichzeitig beschritten werden müssen: Zum einen geht es um Aufklärung im Sinne von: Was sind Vorurteile, wo kommen sie her und wie kann ich ihnen entgegenwirken? Zum andern geht es darum, Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung zu schaffen und damit Erfahrungen zu sammeln. Im Team gilt es dann zu reflektieren: Was braucht ein Mensch mit Behinderung? Was ist absolut nötig? Was ist indiskutabel, was wäre schön? Welche Verhaltensweisen wollen wir nicht mehr sehen? Allein durch solche Diskussionen können Perspektivwechsel stattfinden. Führungskräfte sind gefordert, solche reflektorischen Runden im Einzelgespräch oder in der Gruppe durchzuführen und dann durch Erfahrung nach und nach Vorurteile aufzulösen. Mit einer Schulung allein ist das nicht getan. Der Kampf gegen veraltete Denkmuster ist ein Prozess. Das große Ziel ist, sich selbst zu reflektieren und den Perspektivwechsel zu wagen. Das ist eine Übungssache. Das Schöne ist: Mit dem Perspektivwechsel verändert sich die komplette Kultur im Team, weil nicht nur dem Menschen mit Behinderung mehr Verständnis entgegengebracht wird, sondern auch dem Kollegen, der einen längeren Arbeitsweg hat, oder der Kollegin, die ihre Mutter pflegt.

Was verpassen Unternehmen, wenn sie darauf verzichten, Menschen mit Behinderung einzustellen?

Eine Arbeitnehmergruppe, die eine hohe Loyalität aufweist, wenn sie für ein Unternehmen arbeitet, bei der sie sich wohlfühlt. Und mitunter sehr gut ausgebildete Fachkräfte. Im Studiengang Wirtschaftsmathematik, den ich belegt habe, gibt es beispielsweise viele Studierende mit Behinderung. Und natürlich kann davon auch das Image eines Unternehmens profitieren.

Können Sie Beispiele für Impulse gegen Barrieren im Kopf nennen?

Ich biete beispielsweise Workshops an, bei denen sich die Mitarbeitenden in die Rolle der Person mit Behinderung versetzen können. Sich selbst in einen Rollstuhl setzen und einen Tag durch die Stadt fahren und so erleben, welche Herausforderungen täglich zu meistern sind. Für die Inklusion ist es zudem wichtig, den Fokus auf Stärken zu lenken: Was kann die Person mit Behinderung? Statt: Was kann sie nicht. Dies kann man dann auch sehr gut auf sich selbst übertragen: Was sind meine eigenen Stärken? Oder worauf fokussiere ich mich bei meinen Kollegen und Kolleginnen? Tendenziell schauen Viele stärker auf die Schwächen. Ein Fokus auf die Stärken hilft, Vorurteile ins Wanken zu bringen.

Sebastian Wächter

© Barrierefrei im Kopf GmbH
Sebastian Wächter ist Mitbegründer
von „Barrierefrei im Kopf“,
Buchautor und gefragter Speaker.

 

Brauchen wir eine Diversity-Quote?

 

Ich habe nie das Gefühl, dass Quoten zu einem Umdenken führen, sondern es geht darum, eine Regulatorik zu erfüllen. Allerdings ist eine Veränderung vielleicht gerade am Anfang auch nicht ohne Zwang zu gestalten. Wenn es dazu führt, dass mehr Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung geschaffen werden, dann erfüllt es einen Zweck. Mir fällt kein besseres Tool ein, das die intrinsische Motivation eines Unternehmens steigern könnte. Deshalb sehe ich Quoten als notwendiges Übel während einer gewissen Übergangsphase.

 

Wie Hays sich für Equity, Diversity und Inclusion einsetzt:

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Annette Frank
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